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vernissage frankfurt - installation und performance zur 1200 jahrfeier der stadt 

 

zur 1200 jahrfeier der mainmetropole präsentierte 
U4frAnkfuRT diese ironische  installation zum kunstbetrieb
zwischen kosmopolitischer attitüde und provinziellem charme.

apfelwein im glas als skulptur auf 40 säulen, 
brezeln gerahmt und gebrochen als serielles objekt an der wand,
ein öliges stilleben löst sich in weißem licht auf,
kunst in form ihrer bestandteile - wird als ungeniesbares buffet angerichtet 
und die illustration dessen, was der wort-wörtliche kunstgenuss in der lage ist anzurichten.

nach der performance  lädt der redner die vernissagegäste zum bekömmlichen kunstgenuss ein.

 

bilder

Die Rede von Peter Schäck mit Zwischenrufen von Klaus Bittner
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Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Liebe Kunst Händler
ähm Kunst Kritiker
Kunst Honig
Kunst Theorie

Liebe Kunstfreunde!
Lassen Sie mich bitte zum Anfang meiner Rede meine Freude über Ihr zahlreiches Erscheinen ausdrücken und ersparen Sie mir und Ihnen das Ritual der endlosen persönlichen Begrüßungen. Belassen wir es bei einem pauschalen, doch nicht weniger herzlichen - "Willkommen allerseits!"

1888 - war es das linke oder das rechte Ohr von van Gogh

Einige von Ihnen kennen sich sicherlich schon von anderen Vernissagen, mit anderen werden Sie heute ins Gespräch kommen, und vielleicht ergibt es sich ja diesmal, dass Sie heute den einen oder anderen Hinweis bekommen in welcher Richtung Sie sich auf die Suche nach der Antwort machen sollten, der Antwort auf die Frage, die uns zeitgenössische Vernissagebesucher ob am Schminktisch oder vor dem Kleiderschrank, auf der Toillette oder bei der obligatorischen Suche nach dem Haus- oder Autoschlüssel,

1900-1906 - Cezanne öffnet das Tor zur Moderne

zwischen wichtigen Grundsatzentscheidungen wie ("Schatz, meinst du ich sollte heute vielleicht das blaue..." „Nein, das hattest du doch schon vorige Woche bei Gierig...") und Alltagsproblemen wie ("Liebling, das Papier ist alle! Sei doch bitte so nett und...") kurz vor dem Verlassen der Wohnung regelmäßig oder sporadisch heimsucht und ein banges Gefühl des Zweifels hinterlässt, die Frage:

Was ist eigentlich KUNST?

1914 - Duchamp hängt Flaschentrockner ins Museum

Und später, angesichts der ausgestellten Bilder und Objekte:

Ist das noch KUNST?

1916 - DADA DADA DADA - Manifest

Vorbei scheint jedenfalls die Zeit, da Maltechniken und kompositorische Regeln Hinweise auf mögliche Antworten geben konnten.

Picasso - der erste Künstler der variablen Reaktion

Im Zeitalter der Reproduktionstechniken und Computer-Simulationen erscheinen Pinsel und Leinwand wie steinzeitliche Faustkeile und der PC von gestern kann mit dem Prozessor von morgen schon nicht mehr Schritt halten.

1969 - New York Meilensteine: VideoPaik, LandArtLong, ComputerCage

Gemeinsam mit den Medien produzieren heute ganze Industriezweige eine Springflut sinnentleerter Bilder, die sich alle nur noch einem einzigen Zweck unterwerfen - den Alltag der Städte zu ästhetisieren,

Beuys empfIehlt die Erhöhung der Berliner Mauer um fünf Zentimeter

den verlorenen Sinn zu kaschieren.

ZERO - 1963 Berlin - Ücker nagelt heute nur noch selten

Zu schnell jedoch verliert sich der schöne Schein und unter der Tünche des scheinbar Schönen taucht die Fratze des Banalen auf, die Angst macht und deren Flüstern schnell im Gebrüll einer neuen Bilderflut

1978 - Nur noch wilde in Deutschland !!

erstickt wird. Ein Karusell, das sich immer schneller dreht und ein beängstigendes Schwindelgefühl hervorruft: Wo ist ein Punkt zum festhalten?

Reduktion ist angesagt:
„Der Kunstmarkt bietet monochrome, leichtstrukturierte großflächige Bilder an. Klare Linien, Geometrie, reduzierte Zeichen."

Die Verschnaufpause wird dankbar aufgenommen - bis die Ahnung der aufkommenden Leere, überspielt durch die Attitüde des Gelangweiltseins, nach neuen Kicks ruft:

1981 - Baselitz stellt seine Figuren auf den Kopf

Alles einsteigen! Das Karussell fährt wieder an. - Ein Glück man spürt wieder Bauch! Für ein paar Jahre sind die neuen Wilden als Designerdroge der Kulturjunkies angesagt, bis sie wieder, das Barometer sinkt auf „megaout", einer neuen Sachlichkeitswelle platzmachen müssen.

1962 - Andy und die Suppendose...

Der Raum strahlt Ruhe aus, ist fensterlos, nichts Störendes kann von außen eindringen.- Vier (oder waren es fünf?) gleichgroße, verschiedenfarbige Rechtecke werden von hinten beleuchtet und von ein paar dutzend erleuchteten Vernissagebesuchern von vorne beäugt. Dunkle, klumpige Schatten erheben sich vor dem farbigen Untergrund. Man tritt näher, beugt sich vor: „Der Künstler hat in einem eigens von ihm entwickelten Verfahren elektrostatisch geladene Pigmente Schicht für Schicht..." Ein selbstgestelltes Rätsel ist gelöst, man gehört zu den Eingeweihten.

1983 Jeder Mensch ein Künstler! Der Beuys'sche Utopismus geht über in die Katastrophenmythologie Anselm Kiefers - Tapies bleibt sich treu.

Nebenan kann man das neu Erlernte bei Apfelwein und Brezel auf die Probe stellen und hat Gelegenheit zu zeigen, was man sonst noch alles weiß: „Das erinnert mich an Basel - ich weiß nicht ob Sie die Retrospektive.... also bahnbrechend!!!“ oder „Das bleibt doch alles meilenweit hinter Beuys zurück!!!“

1973 - Rheinüberquerung..

Angesichts dieser desolaten Situation kann sich das gute alte Stilleben des 19.Jahrhunderts nur noch übergeben. Mit der Geschwindigkeit moderner Karusselle ist es hoffnungslos überfordert, löst sich auf in die Bestandteile seiner Zusammensetzung und mischt sich verschämt unter die Werkzeuge, mit Hilfe derer es einst kreiert wurde: ein Kunst-Buffet mit dem Prädikat „absolut ungenießbar."

1980 William Wegemann bringt die Kunst auf den Hund Man Ray

Doch was kann die Kunst der Vereinnahmung der Ästhetik entgegensetzen, wenn selbst die Provokation und der Zynismus zur verkaufsfördernden Masche für feinmaschig Gewebtes und Grobgestricktes der vereinigten Farben von Benetton wird? Zurück zum „Wahren, Schönen, Guten", wie das Portal eines Frankfurter Kulturtempels vorschlägt? Das wirkt deplatziert, beruhigt nur einfache, geschichtslose Gemüter und wird - als millionenschwer übertünchtes Mahnmal der Zerstörungswut zweier Weltkriege - bestenfalls zum unfreiwilligen Zynismus.

1968 - Rainer übermalt Christus;
1991 - Kiefer wird vom Thron gestoßen; - Das amerikanische Lachen von Jeff Koons....

Vielleicht sollten wir uns zuweilen auf die Kraft des Humors besinnen, laut Lexikon jene Mischung der Körpersäfte (lat. humores), die die Beschaffenheit der Stimmungen und Gemütsbewegungen steuern und uns dem Lachen hingeben, „eine" wieder laut Lexikon „der wichtigsten Formen, sich anderen Menschen gefühlsmäßig mitzuteilen".

KUNST - was ist das?
KUNST - ist was das?
KUNST - das ist was?
KUNST - was das ist?
KUNST - das was ist"

und wir finden uns dabei in bester Gesellschaft.

So erinnert sich Anatol an die Zeit mit Joseph Beuys: „Wir haben jeden Tag unheimlich gelacht.“

Und laut seinem ersten Galeristen, Helmut Rywelski, hat Beuys die Nachricht, seine Arbeiten seien in alle Welt verkauft worden, zu wahren Heiterkeitsstürmen hingerissen: „...er konnte lachen wie ein Pferd"

Ernst ist die Kunst - heiter das Leben.
Ernst ist dasLeben - heiter die Kunst.
Die Kunst ist tot - es lebe die Kunst.
Leben ist Kunst - Kunst ist Leben.
Kunst ist Lebensmittel

Für heute abend jedenfalls haben wir („tomorrow is canceled to the lack of interest") jenes obskure Objekt der Begierde vieler Frankfurter Vernissagen zur Kunst erklärt:

die Brezel und den Apfelwein im klassischen „Gerippten" -
nicht nur weil seine Genießbarkeit auf vielen jener oben erwähnten kulturellen Geselligkeiten unter Beweis gestellt wurde, sondern auch und gerade weil wir meinen, dass Form und Farbe des Gebäcks und des Getränks in seinem traditionellen Gefäß durchaus einer genaueren ästhetischen Betrachtung wert sind
Kurz: Wir wollten, dass Sie sich vorher erst einmal anschauen, was zu genießen wir Sie jetzt herzlich einladen.

P.: KUNST IST DOCH GENUSS!??! K.:JAWOLL??! - oder? P.: Ach was!?!

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